Der DAI zeichnet Rolf Gutbrod aus
Der DAI zeichnet Rolf Gutbrod aus
Für Rolf Gutbrod, Stuttgart, Februar 1995
Wir gratulieren.
Wir gratulieren Rolf Gutbrod, der diese Auszeichnung zuerst verdient hat.
Und wir gratulieren dem, der keinen besseren Architekten hätte finden können.
Rolf Gutbrod wurde 1910 geboren in Stuttgart, besuchte die 1919 vom Geheimrat Molt und Dr. Steiner gegründete erste Waldorfschule am Kanonenweg, studierte in Stuttgart bei Bonatz, Wetzel, Keuerleber und Schmitthenner, baute ab 1945 sein Architekturbüro auf, lehrte 20 Jahre an der Architekturfakultät der TH/TU hier in Stuttgart und hat sich vor einigen Jahren sich von seinem Büro gelöst für ein intensives, privates, gesellschaftliches, kulturelles, letztlich stärker nach Dorchnach ausgerichtetem leben.
Seine Mitgliedschaften und Auszeichnungen werde ich hier nicht erwähnen, mit eine Ausnahme: Gutbrod ist Mitglied des Ordens Pour-le-mérite der Bundesrepublik.
Wir gratulieren.
Wir gratulieren Rolf Gutbrod, der diese Auszeichnung zuerst verdient hat.
Und wir gratulieren dem, der keinen besseren Architekten hätte finden können.
Rolf Gutbrod wurde 1910 geboren in Stuttgart, besuchte die 1919 vom Geheimrat Molt und Dr. Steiner gegründete erste Waldorfschule am Kanonenweg, studierte in Stuttgart bei Bonatz, Wetzel, Keuerleber und Schmitthenner, baute ab 1945 sein Architekturbüro auf, lehrte 20 Jahre an der Architekturfakultät der TH/TU hier in Stuttgart und hat sich vor einigen Jahren sich von seinem Büro gelöst für ein intensives, privates, gesellschaftliches, kulturelles, letztlich stärker nach Dorchnach ausgerichtetem leben.
Seine Mitgliedschaften und Auszeichnungen werde ich hier nicht erwähnen, mit eine Ausnahme: Gutbrod ist Mitglied des Ordens Pour-le-mérite der Bundesrepublik.
In einer Kurzvita hat Ralf Gutbrod einige seiner Werke aufgeführt.
Wir lesen:
Die Liederhalle in Stuttgart,
die Gebäude des Süddeutschen Rundfunkes in der Neckarstraße und in der Villa Berg,
das IBM-Gebäude in Berlin,
die Deutsche Botschaft in Wien,
das Werk 3 der Porsche-Fabrik,
der Deutsche Pavillon anlässlich der Weltausstellung in Montreal,
das Konferenzcentrum in Mecca,
die beiden letztgenannten mit Frei Otto,
Universitätsgebäude in Köln,
die Baden-Württembergische Bank am Kleinen Schlossplatz,
Regierungsbauten in Riad,
das Kunstgewerbemuseum in Berlin
usw., usw.
Welches Werk! Ein Gebäude so bedeutend und so gut wie das andere. Warum Rolf Gutbrod viele, nicht weniger bedeutende Gebäude nicht genannt hat, wissen wir nicht. Möglicherweise wurde ihm die Liste zu lang.
Einfamilienhäuser und Wohnanlagen in Stuttgart, z. B. in der Moserstraße und im Strohberg, erstellt seinerzeit in Schüttbauweise Leonhardt-Bossert, die Kundendienststellen der Firma VW-Hahn, die schon vor längerem neuen Bauten weichen mussten, das Hahn-Hochhaus, das leider Stück für Stück verändert wird, die Milchbar in der Gartenschau, das Loba-Haus, eines seiner ersten Werke und noch heute nicht erreicht durch all das, was um dieses herum entstand, das Haus der Studenten in Tübingen, die Wohn-Hochhäuser für Studenten in Hohenheim, sein Anteil an den Bauten der zwei Waldorfschulen in Stuttgart usf.
Möglicherweise hört der eine oder andere bei dieser Aufzählung nur Namen oder Gebäude, gleichwertig zu anderen guten Häusern.
Aber das ist mehr! Jeder Bau, jedes Werk, welcher, bzw. welches hier genannt wurde, ist einmalig, ist nur einmal realisiert worden in dieser Art, ist also keine Replik eines anderen oder eines ähnlichen, es ist einmalig ob seiner architektonischen und gestatten Sie „künstlerischen“ Qualität.
Welche Kraft muss investiert werden, will man einen Bau auch nur soweit angeben, dass seine Füße den Boden nur noch leicht berühren!
Zum Einmaligen und Besonderen:
Wenn wir in allen Bauten vor allem nur ein Problem oder wenige gleiche Probleme sehen, wenn wir in unseren Bauten vor allem die allgemeine Themen behandeln wie Bauablauf, Kostenkontrolle, Tragwerk, Montage, bauphysikalische Probleme, Rentierlichkeit des Planungsprozesses usw., werden letztlich unsere Bauten einander ähnlich werden, sich vielleicht sogar gleichen. Ein Gebäude wird dann so sein wie das andere, da ja in allen das Ähnliche oder Gleiche bearbeitet würde. Das kann durchaus auf hohem ästhetischem Niveau geschehen – wie bei Mies van der Rohe z.B., der gesagt haben soll "a building is a building", was wohl heißen soll, dass das Bauen und das Konstruieren Häuser bestimmt und dass dieser Ansatz bei allen Gebäuden gleich und gleich wichtig sei.
Ein Gebäude ist ein Gebäude, das kann einerseits richtig sein, andererseits auch irreführend, denn eine Milchbar in der Gartenschau ist wohl auch ein Gebäude, aber ein völlig anderes als das Loba-Haus z.B.
Vielleicht stand der Bauprozess nicht einmal im Vordergrund, z.B. bei der Milchbar, die in kurzer Zeit - in einer heute unvorstellbar kurzen Zeit - geplant und gebaut wurde und nun schon vierzig Jahre existiert.
Die Fähigkeit, das Besondere, die besondere Situation zu meistern, hat Rolf Gutbrod mehrfach bewiesen an diesem Objekt: architektonisch, terminlieh und auch dann, als während der Bauzeit nachts ihm telefonisch mitgeteilt wurde, die fertiggestellte Milchbar sei zusammengebrochen - was nicht der Fall war - und er geantwortet haben soll: da könnte er auch nichts unternehmen in der Nacht.
Da fällt mir noch ein, dass Rolf Gutbrod als Entwurfslehrer einmal sagte, als ich mich möglicherweise nicht lösen konnte von vorgefassten Vorstellungen "es muss doch nicht unbedingt immer ein Haus werden!"
Er hatte recht, und das wurde dann auch nicht ein Haus.
Wenn wir in unseren Arbeiten nicht zuerst am Mies van der Roheschen „building“ orientieren, vielmehr uns dem Speziellen zuwenden, besteht die Möglichkeit, Individuen zu schaffen. Dann kann anstelle eines Gebäudes in der Gartenschau eine architektonisch gefasste, überhöhte, besondere, poetische Situation entstehen, aus den Eigenheiten der landschaftlichen Situationen, eine Referenz dem Park gegenüber, gegenüber der Situation und der Natur gegenüber. Eine Situation, die – obwohl auch aus Stahl und Glas – in diesem Falle in ihrem Verhältnis zur Natur andere Bauten weit hinter sich lässt. Auch solche mit handgebeitelten Holzbalken.
Und das Loba-Haus; es markiert sichtbar und individuell seine spitze Straßenecke. Der Fußgänger jedoch kann auf seiner Ebene die Ecke durchschauen.
Auch technisch interessant ist dieses Gebäude: Es hat eine bei uns erstmals realisierte vorgehängte und abgehängte Fassade.
Und dann das profane Baumaterial: Well-Eternit z.B. Künstler haben uns vorgemacht, wie aus profanen Materialien Kunstwerke entstehen können, z. B. im Dada, Werke, die zeigen, dass dann, wenn „billige“ Materialien, vielleicht Sogar solche, die ausgedient haben, in eine besondere Position gebracht werden, Kunstwerke besonderer Art mit besonderer innerer Spannung entstehen können. Dinge, die an sich geringen Materialwert aufweisen, erhalten in ihrem neuen Kontext dann plötzlich großen Kunstwert.
Nicht alle mögen dies. Auch dieser potentielle Bauherr Gutbrods wohl nicht, der ihm gesagt haben soll, dass er nicht mit ihm bauen möchte, da Gutbrods Häuser, fielen diese einmal zusammen, einen zu kleinen Haufen ergäben.
Am Loba-Raus erfreue ich mich heute fast täglich, vor allem, wenn ich die Strecke bis dahin hinter mich gebracht habe.
Für das Individuelle der Bauaufgabe steht der Architekt üblicherweise alleine. Vielleicht findet er beim Bauherrn einen Menschen, der bereit ist, das Besondere zu schätzen und ihn zu unterstützen. Das sind die glücklichen Konstellationen. In der Regel jedoch wird der Architekt Besondere selbst entdecken und selbst verteidigen müssen, verteidigen gegenüber den die allgemeinen Probleme und die allgemeinen Aspekte Vertretenden in den Apparaten der Bauherren, der Behörden, der Finanziers, der ausführenden Firmen, der beteiligten Spezialisten.
Das kostet Kraft. Und wir fragen uns, ob sich das lohnt, ob wir den Widerstand nicht endlich aufgeben sollen den Bedingungen der Realität gegenüber. Andererseits ist nicht gerade das vernünftig, dass wir unsere Arbeit in Bezug zum Ganzen sehen und verteidigen auch demjenigen gegenüber und denjenigen, die ihre eigenen schmalen Sektoren zum Ganzen machen wollen oder zum Zentrum des Ganzen.
Hin und wieder siegt die Vernunft, und großartige Werke können entstehen. Hierzu gehören Gutbrods Bauwerke.
Aber es wird schwierig möglicherweise, da wir älter werden und unsere Kräfte nachlassen. Auch erkennen wir, dass die Welt Züge eines Narrenschiffes hat – aber welche Konsequenzen sollten wir aus dieser Erkenntnis ziehen?
Die Apparate, auf die wir treffen, werden größer und mächtiger und einflussreicher. Sie schaffen die
Mittel, mit Hilfe derer sie sich durchsetzen können; z.B. Hilfsmittel, die man auch in unseren Büros drückt und die unsere Arbeit portionieren und strukturieren sollen und reinigen von diesen Apparaten fremden, nicht quantifizierbaren Werten zum angepassten Gebrauch in den Apparaten.
Ich meine, wir sollten diesen uns gereichten, teils aufgezwungen Geräten und Systemen gegenüber Vernünftig sein und das heißt: misstrauisch sein.
Rolf Gutbrod scheint auch in der Auseinandersetzung mit den Apparaten meisterhaft und erfolgreich gewesen zu sein. Wie hätten sonst diese vielen, ohne Ausnahme besonderen Bauten sich entfalten können?!
Ich nehme an, dass er seine Welt zusammen hielt und heute noch zusammen hält durch ein persönliches Beziehungsgeflecht - positiv gemeint. Das scheint ihm gelungen zu sein. Derjenige, der ihn kennt, wird das wissen. Er kann Beziehungen aufbauen und erhalten. Er ist interessiert, interessant, offen, weit gereist, gebildet hilfsbereit usf., Eigenschaften, die andere auffordern, ihm gegenüber gleichermaßen offen zu sein.
Eine solche persönliche Welt muss jedoch leiden, zumindest im Bereich des Berufes, wenn die Apparate sich durchsetzen gegenüber den Personen und wenn vielleicht noch die Verbündeten in den Bauherren uns verlassen.
So geschieht es auch ihm, dass dann, wenn der Architekt sein Werk geschaffen hat und sich von diesem lösen muss, d.h. wenn er dies nicht mehr direkt verteidigen kann, die zunächst durch den Architekten auf ihre Plätze verwiesenen Kräfte sich entfalten und das Werk des Architekten "korrigieren" in ihrem Sinne.
Davor scheint nichts und niemand sicher. Und so entfernt man eben vor der Liederhalle ein wunderbares Stein-Boden-Mosaik und ersetzt es durch Makadam.
Und so streicht man Brüstungen beim Hahn-Hochhaus Anders und so uniformiert man die zunächst individuellen Stützen im Foyer der Liederhalle, macht die Milchbar "praktisch" ohne zu begreifen, dass damit wesentliche Elemente, Situationen und Stimmungen, die wir an diesem Werk besonders schätzen, zerstört und aufgegebenen werden - um eines angeblichen Vorteils wegen, der möglicherweise bei einer Großküche angebracht sein könnte, den aber niemand an der Milchbar vermisste. Warum soll die Milchbar wohl praktisch sein?
Allerdings – und das ist unser Glück– sind selbst nach solchen „Verbesserungen“ Gutbrods Bauten noch besser als die guten Sachen anderer. Schon das wollen wir als Zeichen der Qualität der Gutbrodschen Bauten sehen. Aber könnte man nicht auch von vornherein Vernunft dem Ganzen gegenüber und Respekt gegenüber dem Werke erwarten?!
Man kann viel von und über das Werk Gutbrods sprechen.
Z.B. über die poetischen Erscheinungen.
Das Materielle, das ist es nicht und auch nicht das Konstruierte und nicht das Dauerhafte, eher das Flüchtige, das Unerwartete, das sich einstellt und wieder auflöst:
Das Licht- und Schattenmuster, […], das Muster, das sich öffnet, verändert und wieder schließt; Staubkörner im Sonnenstrahl, die schönen Proportionen gelegen über Landschaften durch Gitter im Fenster, Geräusche und Töne von Stimmen, von Instrumenten, von Geräten, das Rauschen und Klappern, der von der Morgensonne gestimmte Raum, spiegelnde Wasserflächen usw.
Die Alhambra in Granada ist voll solcher Erscheinungen, sie ist gestimmt wie ein schönes Instrument mit vielen Unter- und Obertönen, aus den verschiedenen Bereichen unserer Wirklichkeit. Sie stimmt uns ein. Ähnliches habe ich gesehen bei Gutbrods Bauten zum Beispiel auf Bildern des Pilgerzentrums in Mecca.
Wie gesagt, vieles fällt mir ein zum Werke Gutbrods. Aber ich glaube, er mag es gar nicht so
sehr, wenn nur Lobendes vorgetragen wird.
Deshalb zum Schluss und zum Ausgleich einen Tadel!
[…]
Er hat zu wenig publiziert. Möglicherweise war es ihm unangenehm gewesen, sich mit seinem Werk auszustellen. Und ich denke hier an eine kurze, von ihm erzählte Anekdote: Ein Architekt - war es Wetzel? - hatte sich geweigert, zur Einweihung eines von ihm geplanten Gebäudes zu gehen. Die vorgetragene Begründung war eindeutig, aber nicht geeignet, hier wiedergegeben zu werden.
Also akzeptieren wir seine Zurückhaltung in diesem Bereiche.
Andererseits ist Rolf Gutbrod nun mal der Repräsentant der zweiten Stuttgarter Schule in einem großen, die Grenzen der Bundesrepublik überschreitenden Werk. Und wir meinen, sein auch uns gehörendes Werk sollte im Originalzustand umfassend dokumentiert und publiziert werden.
Wie machen wir das?
Möglicherweise kann der eine oder andere helfen. Natürlich auch für Rolf Gutbrod, aber auch für uns zur Dokumentation der besonderen süddeutschen, für uns nicht ideologischen, liberalen, poetischen und unserer Architektur Rolf Gutbrods.